2. Bildhauersymposium

"Schwebende Schwere"

Schwebende Schwere - Materialphantasien auf dem Skulpturenwanderweg 

(2. Symposium 1997)

Hochorganisierte und gezielte Gestaltung, die den Erlebniswert des Naturraumes steigert, findet Aufmerksamkeit: ein Skulpturenpark oder Skulpturenwanderweg zum Beispiel.
Diese Einsicht hat Tradition und zeitigt durchaus nicht seltenenorts beeindruckende Natur-Kunst-Symbiosen. Nach den feudalen Landschaftsgärten und bürgerlichen Stadtparks begann sich in unserer Zeit, „ein neues Verständnis von Skulptur im Landschaftsraum zu entwickeln“ (Ch. Brockhaus). Dies zeichnete sich mit den Skulpturenprojekten 1977 und 1987 in Münster oder der Kunststraße Rhön, vor allem wohl im Westerwälder TAL ab. Auffällig ist, dass die meisten Projekte in relativ unbekannten Gebieten angesiedelt sind, wie bei Bülzig (Kreis Wittenberg), Lehnin oder den Fahner Höhen. Diese Beispiele sollen die Gewißheit und den Mut beschränken, das Richtige zu tun.
Mit der Erweiterung des Skulpturenparks  1996 von Behringen durch den Skulpturenwanderweg wird das in reizvoller Abgeschiedenheit gelegene Hütscheroda auf attraktive Weise zum einen mit Behringen verbunden, zum anderen führt er zum Hainich mit Nahsichten auf den Alten Berg und das Behringer Holz und, von dessen Waldsaum aus, mit reizvollen Fernsichten auf die Silhouette des Thüringer Waldes. Die auf dem Weg gebrachten Materialphantasien, die Skulpturen am Wege sind ein kräftiges Zeichen für Sinnsetzung und Zukunftserwartung, für den Kulturwillen der Behringer, die sich der drohenden „kulturellen Armut in den Zeiten der Sparsamkeit“, vor dem Roman Herzog gewarnt hat, entgegenstemmen. Soll ein solches Projekt gelingen, braucht es einen Initiator wie Jürgen Dawo, tatkräftige Unterstützung von politischer Seite, von Sponsoren und dienstbaren Geistern.
Vor allem ist es auf den Ideenreichtum der Künstler, ihre Solidarität und Beschei-denheit angewiesen. Immerhin waren 158 Bewerber bereit, für Stipendium, Aufwandsentschädigung, Unterbringung und  Versorgung die geschaffenen Arbeiten dem Veranstalter zu übereignen. Wir hatten in der Jury zunächst 20, schließlich 11 von ihnen gewählt. Entscheidend war, ob die Ideenskizze versprach, dem Arbeitsthema „Zusammenwirken von Mensch, Natur und Kunst“ eine originäre Gestalt zu geben und die materielle Machbarkeit.
Ein rumänischer, zwei polnische und acht deutsche Bildhauer, darunter vier Frauen, fanden sich in Hütscheroda zum Symposium ein. Das war vor allem anstrengende individuelle Arbeit am Stein und am Holz, mit Stahl, Eisendraht oder mit Papier, doch ebenso ständiges Prüfen, wie das entstehende Werk sich dem Standort, der selbst gewählt wurde, in seiner natürlichen Umgebung realisiert.
Begleitet wurde das Tun von den wohlwollenden, kritischen Blicken und Gesprächen der internationalen Kollegen und Besucher.
Entstanden sind phantasievolle Gebilde, die die Sinnlichkeit des Wanderers jenseits der neuen Medienwelt auf vielfältige Weise ansprechen und herausfordern.
Am Wegesrand gruppieren sich drei Leibräume, die durch transparentes Geflecht das Innen und Außen entgrenzen. In den Waldsaum gesetzt, symbolisieren drei Holztürme, geweißt, verkohlt, naturfarben, gegensätzliche Lebensaspekte. An einem Straßenrest von Heßwinkel wiederum legt eine Welle von Pflastersteinen scheinbar einen Weg und rollt ihn auf. Das spannungsvolle Verhältnis zwischen Kultur und Natur wird neben dem Formreiz der Materialkontraste thematisiert durch in Baumstämme gezwungene, sich zwingende Steine, die wohl prüfen, welche Spannung jene aushalten oder ein Wagen, der von Bäumen gestoppt  wird oder diese überrollt. Und da ist ein durchbohrter Wege-Stein, der mit seinem Augensymbol durch die ins Land gesandten prüfenden Blicke der Wanderer zum Argusstein wird. Eine doppelt verfremdende Poesie besitzen die mit Baumfotos umwickelten Zweige, welche aber so nur im temporären Sein wirken, also wenn sie ohne Fremdform restlos in den Naturkreislauf integriert werden. Von tiefer Harmonie zwischen Mensch, Kultur und Natur sprechen Vogelsteinkopf und Bienenstock. Da-gegen könnte die Ambivalenz im politischen Prozeß der Einheit Europas von den politischen Arbeiten assoziiert werden. 
Die Ost-West-Pyramide, ein weithin sichtbares Mal, wirkt nicht nur in ihrer Idealität unvollständig, sondern sogar zerrissen. Und der ganz aus einem Buchenstamm gesägte und geschnitzte Nagel kann eine Metapher dafür sein, dass er sowohl verbinden und Zusammenhalt schaffen kann, als auch durch sein Eindringen spalten.
Wer könnte aber andere Bedeutungen ausschließen? So jene freundliche, dass auch diesmal mit dem Skulpturen-wanderweg der Nagel auf den Kopf ge-troffen wurde.

Prof. Dr. phil. habil. Peter Arlt

Universität Erfurt

Die ausgewählten Künstler sind:

Harald Stieding

Birgit Cauer

Stanislaw Bizek

Jakub Lewinski

Hermann Hugo Oberhäuser

Walter Peter

Barbara Neuhäuser

Martina Benz

Klaudia Kandel

Eindrücke vom 2. Bildhauersymposium in Behringen